Fotografie ist ein asoziales Hobby…

Ein Tagesausflug in den Pfälzer Wald am letzten Wochenende lässt mich aktuell nicht mehr los. Nicht, weil die Landschaft so atemberaubend oder die Gegend so wenig besiedelt ist – beides trifft natürlich zu und macht den Charme der Gegend aus – sondern da ich meine treue Kamera und mein neues iPhone 12 Pro Max dabei hatte, jedoch nur eins von beiden aus der Tasche gezogen habe.

Das Setup für eines meiner Lieblingsfotos aus Montenegro im Jahr 2018

Der Vergleich

Nikon D750

Meine gute Nikon D750 habe ich mir im Winter 2014, kurz nach der Markteinführung für ca. 1300€ (nur den Body) gekauft. Mit damals knappen 15 Jahren war das nicht nur eine vollkommen überdimensionierte Kamera für mich, sondern auch ein Statement, um mich von den ganzen „Instagram-Fotografen“ mit ihren Smartphones abzuheben.
Mit einem 24,3 MP Vollformat-Sensor war die D750 das letzte Modell vor der Jagd nach Megapixeln, der zu dieser Zeit durch Sony und Co losgetreten wurde.
In Reviews und Tests wurde die Kamera für ihre Flexibilität und Vielseitigkeit in den Himmel gelobt und bestärkten mich in meiner Wahl. Mein Onkel, immer und bis heute mein großes Vorbild für Fotografie, gab mir dazu ein Sigma 24-70mm f2.8 Objektiv, welches bis heute mein einziges Vollformat-Objektiv geblieben ist.

Die gute alte Nikon D750 macht jedes Wetter mit

iPhone 12 Pro Max

Zugegeben, ein Bügeleisen von Smartphone, wie es das iPhone 12 Pro Max mit seinen stolzen 1000+€ ist, besitzt bei weitem nicht jeder. Nachdem mir mein letztes Handy im Dezember beim Fotografieren aus der Hand gefallen und nicht mehr nutzbar war, habe ich mir im Januar den Sprung zu Apple gewagt. Ein nicht unbeachtliches Argument war dabei natürlich die Kameraqualität.

Das iPhone hat drei eingebaute Objektive:

  • Ein Weitwinkel-Objektiv (13mm) mit 12 MP
  • Ein Standard-Objektiv (26mm) mit 12 MP
  • Ein Tele-Objektiv (65mm) mit 12 MP

Dazu kommen noch zahlreiche Softwaretricks und Bildoptimierung, damit am Ende ein nahezu immer perfektes Ergebnis erzielt wird.

Die Differenzen

Die Nikon war für mich lange Zeit eine ständige Begleiterin auf Spaziergängen jeder Art und die Kamera, wenn es ums Fotografieren ging. Schnell sammelten sich Gigabytes und Terabytes an JPEG und RAW Dateien an, die anfangs immer direkt, später nur noch periodisch auf den Computer gezogen und bearbeitet werden mussten.

An dieser Stelle ergibt sich das erste Problem aus meiner Sicht:

Die Nachbearbeitung

Die Fotos aus der Kamera sehen nicht gut aus – meine Meinung. Die von der Kamera gebackenen JPEGs haben einen schlechten Dynamikumfang, schwache Farben und dienen mehr der Dokumentation als Kunst. Deswegen ist es prinzipiell zwingend notwendig, alle Bilder, die einem gefallen, in Lightroom (später dann doch oft auch Luminar) nachzubearbeiten. Ich habe mir aus einem Stapel von 200 Bildern selten mehr als 10 Fotos herausgesucht, die es „wert waren“ bearbeitet zu werden. Der Rest ist Datenmüll und liegt bis heute auf meiner 5 TB Festplatte und bei Amazon in der Cloud. An jedem dieser Fotos saß ich bestimmt 10-15 Minuten, bis ich Ergebnisse hatte, die mir auch gefallen haben, wobei es immer auch Ausreißer nach oben gab.

Alle anderen 190 von 200 Bildern hat nie ein Mensch außer mir zu Gesicht bekommen, da ich keine unbearbeiteten Bilder herumzeige. Am Ende eines Urlaubs hatte ich so sehr knappe Ordner an Urlaubsbildern, jedoch eine kuratierte Auswahl, auf die ich auch stolz sein konnte.

Mit dem Handy ist das anders. Erstens sehen die Bilder von vorneherein besser aus. Die Bildoptimierungssoftware sowohl beim iPhone als auch bei meinem vorherigen Xiaomi Mi 10 war top und lieferte ausgewogene Fotos. Man wird nie sagen können, wie gut der Dynamikumfang eines Smartphone-Sensors wirklich ist, da jedes Bild, das man sieht, korrigierte Highlights und Schatten hat. Damit ergibt sich jedoch schnell eine vorzeigbare Sammlung an Fotos, die beispielsweise einen Urlaub deutlich umfassender dokumentiert. Mir gefällt das insofern, als das meistens Erinnerungen an den Momenten hängen, die nicht unbedingt fotogen waren oder sich gut an der Wand machen würden.

Zweitens bearbeite ich meine Handy-Bilder gerne mit Snapseed nach. Diese App mit vielen Funktionen erlaubt schnelle wie auch sehr detaillierte Bildbearbeitung. Auch wenn mir ein Foto sehr am Herzen liegt und ich mir viel Mühe in der Nachbearbeitung gebe, dauert diese keine zehn Minuten, bei den meisten Bildern sogar weniger als vier. Damit hat man neben der Vielzahl an geschossenen, vorzeigbaren Bildern auch eine gute Auswahl an nachbearbeiteten und somit kuratierten Fotos.

Meine Art der Fotografie

Zuvor habe ich schon von den „Instagram-Fotografen“ geschrieben. Was macht einen solchen Typ Fotograf aus? Ich finde, dass ein „richtiges“ Foto perfekt sein sollte. Diese Perfektion kann einerseits technischer Natur sein, wobei es auf die richtige Auflösung (man will sein Meisterwerk ja auch wandfüllend aufhängen können), die Nachbearbeitung (hier kann man viel zur Bildwirkung beisteuern) und die ganzen richtigen Einstellungen der Kamera aber auch nach ästhetischen Gesichtspunkten durch Bildkomposition und künstlerische Akzente angestrebt werden.

Ein bisschen abenteuerlich darf ein Stup für das Foto des Tages schon mal sein

Was diesem Perfektionsanspruch gerecht oder zumindest annähernd gerecht wird, fällt unter meine Definition von richtiger Fotografie. Alles andere kann durchaus schön aussehen und qualitativ gut sein, doch ist es für mich die ominöse Instagram-Fotografie. Ästhetisches Knipsen ist nicht leicht und bedarf neben guten Werkzeugen auch einem Auge für Bildaufbau und Co. Ich möchte dieses Knipsen auch nicht herabwerten oder einen künstlerischen Anspruch aberkennen, da 99,8% meiner Bilder des letzten Jahres genau in diese Kategorie fallen. Wenn ich aber überlege, wie die Verteilung ist, welche Bilder ich öfters anschaue, vorzeige oder stolz darauf bin, nehmen die Fotos, die ich mit Bedacht geschossen habe, doch gut und gerne 30% ein.

Wofür also die Kamera? Ich denke, dass das schon sehr aus dem Text herausklingt: Mit dem Handy kann man knipsen, mit der Kamera richtig fotografieren – und knipsen. Und genau der letzte Teil ist für mich der Knackpunkt. Ich habe am Anfang davon erzählt, wie die Nikon auf jedem Spaziergang mit dabei war. Zu dieser Zeit habe ich mit ihr nicht als das Werkzeug gearbeitet, das sie ist. Ich habe dokumentiert, fest- und draufgehalten, aber nicht richtig fotografiert. Am Ende des Tages hatte ich viele Dateien, die ich nie wieder angeschaut habe und wovon mich keines so sehr angesprochen hat, dass ich es bearbeiten wollte.

Aus dieser Feststellung ist eine Hemmung erwachsen, die Kamera überhaupt erst dann auszupacken, wenn es ein augenscheinlich gutes Motiv gibt. Da die Welt aber voller schöner Momente ist, die vielleicht schön anzusehen, aber nicht fotogen sind, entgehen einem diese festgehaltenen Erinnerungen – Schade, denn eine der Hauptaufgaben ist schließlich das Erleichtern von Erinnerung. Was also tun? Das Smartphone zücken. Und so kam es, dass ich immer mehr mit dem Handy fotografiert habe, da ich Motive von vorneherein als nicht fotogen genug abgestempelt habe. Die Kamera blieb immer öfters im Rucksack – mit der Zeit immer öfters zuhause.

Das Reisen

Wenn ich sage, dass die Nikon bei fotogenen Motiven eine Daseinsberechtigung hat, muss sie natürlich immer ins Reisegepäck, wenn es um Abenteuer geht. Selten finde ich so viele schöne und gleichzeitig auch fotogene Motive wie im Urlaub.

Wenn man an die klassischen Urlaubsfotos denkt, will man sowohl Erlebnisse einfrieren als auch die postkarten-artigen Naturaufnahmen mit nach Hause tragen. Ersteres ist der Job des Handys in der Tasche. Letzteres ist jedoch der Grund, weshalb die große Spiegelreflex noch immer in meinem Handgepäck ist, wenn ich in einen großen Urlaub starte. Mein Ziel ist es dabei meistens mit DEM Urlaubsfoto zurückzukommen – ein einziges Bild, das meinen perfektionistischen Maßstäben gerecht wird und auf das ich stolz sein kann.

Für mich hat sich etabliert, dass ich meine Kamera nur dann auch mitnehme, wenn ich auch ein Stativ im Gepäck habe. Diese Regel ergibt sich für mich aus der Trennung von Knipsen und Fotografieren, da ein Schnappschuss genauso gut auch mit dem Handy erfolgen kann. Wenn ich die große Nikon heraushole, möchte ich über meinen Bildaufbau nachdenken und dann ein technisch perfektes Bild machen. Dazu gehört auch bei den meisten Lichtverhältnissen ein Stativ – außerdem fotografiere ich meistens auch drei- bis fünffach gebracketet Aufnahmen, ich schieße also auch über- und unterbelichtete Bilder, damit ich später in der Nachbearbeitung verschiedene Fotos übereinanderlegen kann und keine Bildinformationen durch technische Limits der Kamera verloren gehen. Für solch eine Technik ist ein Stativ sowieso Grundvoraussetzung.

Damit zeigt sich das Problem der Spiegelreflex beim Reisen:
Nikon D750 – 840g
Sigma 24-70mm f2.8 – 790g
Manfrotto Carbon Traveller – 1400g

Insgesamt also drei Kilo für das aller Wichtigste. Damit aber nicht genug. Um eine so wertvolle Kamera sicher zu transportieren, kommt sie in meinen absolut überdimensionierten Rucksack mit allerhand weiterem Kram, über dessen Notwendigkeit sich streiten lässt. Insgesamt bin ich dann so schnell mit gut und gerne 5-7kg Kameraequipment unterwegs (und das ist bevor Wasser und eventuell Essen dazu kommt), um mein persönliches Postkartenmotiv zu schießen. Verständlich, dass ich dann doch immer zweimal überlege, ob ich nicht doch nur mein Handy in die Tasche stecke und mir doch Chancen auf DAS Motiv kleinrede.

So sah mein Rucksack für den Sommer 2020 aus

Im Endeffekt zeigt die Erfahrung der letzten Jahre, dass ich die Kamera mitnehme, wenn ich Autourlaub mache, also mobil bin und viel Equipment durch die Gegend fahren kann. Sobald es an Flugreisen geht, ist es mehr als schwierig, eine Kamera und ein Stativ im Handgepäck mitzunehmen.

Landschaftsfotografie ist ein asoziales Hobby

Ich weiß, dass das wie eine harte Aussage klingt; trotzdem stehe ich dazu. In diesem Kontext ist „asozial“ tatsächlich so gemeint – meine Art der DSLR-Landschaftsfotografie ist nicht sozial verträglich. Wie ich geschildert habe, braucht mein perfektes Foto Vorbereitung. Bis ich eine schöne Bildkomposition gefunden, mein Stativ aufgebaut, einige Testaufnahmen und das finale Foto gemacht habe, ist jede Wandergruppe drei Kilometer weiter und noch der treuste Freund genervt. Und das ist noch bevor man auf das richtige Licht, die perfekte Situation oder den kurzen Augenblick der Vollkommenheit gewartet hat, das einem das Foto bringt, auf das man am Ende stolz ist.

Oft genug passiert es mir auch, dass ich all das mache, mein Stativ ausgepackt und aufgebaut und die Kamera eingestellt habe, nur um dann festzustellen, dass die Aufnahme doch nicht ideal ist – und alles wieder abbaue. Unter dem erwartungsvollen Blick der Freunde und Familie kann sich das wie eine Strafe anfühlen, die einen noch viel zögerlicher machen kann, seine Kamera zu zücken.

Das ist für mich vermutlich der Hauptgrund, warum ich am liebsten alleine Fotografieren gehe. Ausnahmen können Fototouren darstellen, bei denen sich Menschen mit dem gleichen Problem im Freundeskreis und der Familie zusammenschließen, um gegenseitig tolerant zu sein. Wenn man es so will, eine Selbsthilfegruppe für Fotografen.

Mein Fazit

Ich glaube, mein Fazit war von Anfang an klar, doch musste ich erst ein paar Gedanken aufschreiben, um zu diesem Punkt zu kommen. Das Handy ist zum Knipsen da, die DSLR zum Fotografieren. Nur meine persönliche Definition von Knipsen ist nicht abwertend, sondern sehr umfassend.

Wenn ich für mich beleuchte, wann ich meine Kamera in der Vergangenheit mitgenommen habe und wann ich sie auch benutzt habe, sehe ich für die Zukunft genau zwei Szenarien, in denen sie eine große Rolle spielen wird:

  1. Der Urlaub alleine
  2. Die Fototour mit Freunden

Ich denke, dass meine Nikon D750 mich wieder bei meinem nächsten großen Sommerurlaub begleiten wird. Ich werde sie sicher nicht auf jede Wanderung mitnehmen, doch immer wenn es mich alleine überkommt, einen Ausflug zu machen, wird sie sicher im Kofferraum liegen und das eine Postkarten-Foto des Urlaubs machen, was in meine Sammlung potentieller Wandbilder aufgenommen wird.

Auch bei Fototouren werde ich sie immer wieder aus dem Regal nehmen. Meine Erfahrung zeigt zwar, dass dabei selten Fotos nach meinen Perfektionsansprüchen entstehen, doch macht das gemeinsame Fotografieren einfach Spaß – und eine fette DSLR ist dabei immer cool 😉

Für alle anderen Situationen bin ich mit meinem Handy mehr als zufrieden. Ich sehe die Bilder nicht als Fotos minderer Qualität und sie sind für mich integraler Bestandteil meiner Fotografie. Ich erinnere mich durch Smartphone-Bilder mindestens genauso gut an die ganzen schönen Erlebnisse wie durch das perfekte Bild.

Vorerst bleibt mir meine Kamera also durchaus erhalten.

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